Unser Lebensstil hat direkten Einfluss auf unser Immunsystem. Das gilt insbesondere für Bewegung und Training. Doch was gilt es beim Training zu beachten?
Gerade in diesen Zeiten der globalen Pandemie hat das Immunsystem eine grössere Bedeutung gewonnen. Der Bewegungsmangel hat extrem zugenommen, nicht zuletzt durch den starken Anstieg des Home Office und die Einschränkungen, die uns auferlegt worden sind. Dass dies weitreichende Konsequenzen insbesondere im Herz-Kreislauf-Bereich nach sich ziehen kann haben wir schon in unserem Artikel "Ist Sitzen gefährlich?" geschrieben.
Bewegung und Training sind ein sehr gutes Mittel, um das Immunsystem zu stärken. Eine Studie der Universität Neufundland in Kanada ließ bis dato unsportliche Menschen über 65 Jahren über einen Zeitraum von 3 Monaten ein regelmäßiges Ausdauertraining durchführen. Die Ergebnisse: Im Vergleich zu nicht trainierenden, gleich alten Probanden zeigte sich bei den Testpersonen eine verbesserte Reaktion der T-Lymphozyten (Immunzellen). Die Probanden hatten rund 40 Prozent geringere Atemwegsinfektionen.
Doch auch der Muskelaufbau lohnt sich: Die Muskulatur sondert nämlich Botenstoffe, sogenannte Myokine aus, die im Körper antientzündlich wirken und bei der Regulation des Immunsystems helfen. Ausserdem helfen sie beim Abbau des Viszeralfettes, welches entzündungsfördernd wirkt.
Doch wie kann man am besten trainieren? In einer anderen Studie wurde gezeigt, dass sich moderates Training am besten auf das Immunsystem auswirkt. Um das nachvollziehen zu können, muss man sich verdeutlichen, was mit dem Körper beim Training geschieht.
Der Körper ist bestrebt, stets nur gerade so viel leisten zu können, wie von ihm verlangt wird. Es ist nicht gut, wenn der Körper mit dem was wir von ihm verlangen überfordert ist. Andererseits sind unnötige Reserven auch nicht gut, denn um sie zu erhalten, braucht es viel Energie. Deshalb strebt der Körper immer das Gleichgewicht zwischen Belastung und Belastbarkeit an, das sich Homöostase nennt.
Wenn wir nun wollen, dass der Körper an Belastbarkeit gewinnt, müssen wir ihn zunächst an seine Grenzen bringen, um dem Organismus zu signalisieren, dass wir mehr von ihm wollen. Der Körper reagiert darauf zunächst einmal mit einer Phase der Erschöpfung, auch Dekompensation genannt. Das Training löst hormonelle Prozesse aus, in denen insbesondere das Stresshormon Cortisol eine grosse Rolle spielt, was auch eine Beanspruchung des Immunsystems auslöst.
In einer zweiten Phase schlägt dann der Organismus zurück, indem er auf diesen ersten Reiz hin reagiert und die Immunaktivität und den Stoffwechsel erhöht. Bleibt dann ein weiterer Reiz aus, der die Notwendigkeit der Anpassung der Belastbarkeit unterstreicht, kehrt der Körper wieder zum alten Gleichgewicht zurück. Wird jedoch in der Phase der Superkompensation der nächste Reiz gesetzt, dann baut der Körper seine Reserven aus.
Die Reaktionen des Immunsystems sind umso stärker, je grösser der Trainingsreiz war. Besonders intensives Training oder ein Wettkampf schwächen den Körper in der Dekompensationsphase, so dass besonders in den ersten Stunden nach dem Training ein "offenes Fenster" entsteht, in der die Anfälligkeit für Infekte steigt.
Werden moderatere Trainingsreize gesetzt, ist der Körper weniger gefährdet für dieses "offene Fenster".
Wenn Sie aus Gesundheitsgründen trainieren, dann achten Sie darauf, eine moderate Intensität anzustreben und sich nicht völlig zu verausgaben. Geben Sie dem Körper nach dem Training Zeit, sich zu erholen. Trinken Sie kein Alkohol nach dem Training und sorgen Sie dafür, dass Sie genügend Schlaf bekommen. Die nächste Trainingseinheit sollte 48-72 Stunden später erfolgen, damit sie Trainingsfortschritte erzielen.
Kraftsportler oder intensive Ausdauerathleten sollten unbedingt darauf schauen, den Körper mit genügend Proteinen zu versorgen. Insbesondere die Aminosäuren L-Glutamin und die sogenannten BCAA (Valin, Leucin, Isoleucin) sind wichtig, um den Darm und das Immunsystem zu stabilisieren. Diese Substanzen sind nämlich nicht nur die Bausteine der Muskulatur; L-Glutamin ist auch entscheidend für den Aufbau der Darmzellen und BCAAs braucht es auch für die Herstellung von Immonglobulinen. Wenn zu wenig dieser Aminosäuren vorhanden sind, dann ist entweder das Training ineffizient oder der Darm oder das Immunsystem könnte beeinträchtigt werden.
(1) Zunner BEM, Wachsmuth NB, Eckstein ML, Scherl L, Schierbauer JR, Haupt S, Stumpf C, Reusch L, Moser O. Myokines and Resistance Training: A Narrative Review. Int J Mol Sci. 2022 Mar 23;23(7):3501 PubMed PMC Full Text