Kaum ein anderes Organ hat einen so direkten Einfluss auf unsere Gesundheit wie der Darm. Schliesslich hat dieser mit rund 400m2 die grösste Grenzfläche zur Aussenwelt und muss selektiv entscheiden, was in den Körper hinein kommt und was draussen bleiben muss.
Einerseits braucht unser Körper Nährstoffe, ohne die wir nicht überleben würden. Diese Nährstoffe müssen die Darmbarriere passieren können, während ungute Keime und Mikroorganismen abgewehrt werden müssen. Dies ist eine hochkomplexe Aufgabe für den Darm im Zusammenspielt dem Immunsystem. Deshalb hat diese Barriere mehrere Ebenen, die von der Funktion her eng ineinander greifen.
Unser Körper ist insbesondere an seinen Grenzflächen (Haut, Lunge, Darm etc) von hunderten Billionen von Mikroorganismen besiedelt, mit denen wir zum Teil in enger Symbiose leben. Die Darmbakterien machen einen grossen Teil davon aus. Sie erfüllen zahlreiche Funktionen und ohne sie wären wir nicht überlebensfähig. Diese Funktionen sind so komplex und faszinierend, dass wir ihnen im Teil 2 einen gesonderten Artikel gewidmet haben. Eine der Aufgaben der nützlichen Bakterien (Probiotika) besteht darin, schädliche Keime zu verdrängen.
Die Wand unseres Darmes ist mit einer Schleimschicht überzogen, der mit speziellen Antikörpern, genannt sIgA, durchsetzt ist. Diese binden sich an Krankheitserreger und neutralisieren diese, bevor sie in den Körper hinein gelangenkönnen. Darüber hinaus verhindern sie, dass sich schädliche Darmbakterien festsetzen.
Die Darmwand besteht aus einer nur einreihigen Schicht von Zellen, welche durch ein raffiniertes System aus Membranproteinen zusammengehalten werden, die die Darmzellen ringförmig umschliessen. Diese "Tight Junctions" können reguliert werden, damit sie im Bedarfsfall mehr oder weniger Stoffe in den Körper hineinlassen. Nährstoffe werden transzellulär aufgenommen, indem sich kleine Bläschen (Vehikel) öffnen und die Nahrungaufnehmen, um sie durch die Zelle hindurch zu transportieren.
Unmittelbar unter dem "Boden" der Zelle, der sogenannten Basalmembran, ist der Sitz des darmassoziierten Immunsystems. Hier sitzen rund 80% der Immunzellen unseres Körpers, die unerwünschte Eindringlinge in den Körper erkennen und abwehren.
Demzufolge löst jede Nahrungsaufnahme eine Entzündungsreaktion aus, weil das Immunsystems des Darmes aktiviert wird, um zu prüfen, ob die aufgenommenen Stoffe schädlich sind. Wenn die Barrieren gut funktionieren, kann recht schnell wieder Entwarnung gegeben werden.
Jede der vier Ebenen der Darmbarriere kann in ihrer Funktion beeinträchtigt sein. Wenn die Vielfalt der Bakterien des Darmes auf der ersten Ebene abnimmt, einzelne Stämme ganz fehlen oder schädliche Bakterien überwiegen, so spricht man von einer Dysbiose. Je nachdem, welche Bakterien fehlen, kann dies zu einer Verringerung der Schleimschicht führen, zur Veränderung des pH-Wertes, um nur zwei der vielen Dinge zu nennen.
Auf der zweiten Ebene kann dies zu einer Verringerung der Schleimschicht führen (etwa wenn die schleimproduzierenden Bakterien abnehmen), und/oder zur Veränderung der Antikörper des Schleimes. Bei zu hoher sIgA Konzentration befindet sich das Immunsystem in dauernder Alarmbereitschaft (rechts in der Abbildung), wenn zuwenig davon vorhanden ist, kommt die Abwehr zu kurz (links).
Auf der dritten Ebene können die Bakterien beim Fehlen des Schleimes aggressiver wirken. Der Bürstensaum bildet sich zurück und es kann zum dauerhaften Öffnen der Tight Junctions kommen. Das führt dazu, dass Stoffe nun durch die Zwischenwände der Zelle gelangen können und auch solche in den Körper hinein gelangen, die dort nicht hingehören. Dieser Zustand nennt sich Leaky Gut, intestinale Permeabilität oder "durchlässiger Darm".
Dies führt zu einer verstärkten Immunantwort auf der vierten Ebene. Das Immunsystem des Darmes ist nun dauernd aktiviert, die Immunzellen sind in ständiger Alarmbereitschaft. Diese Entzündungssituation kann bis auf die Lymphknotenebene gehen und den ganzen Körper in Aufruhr bringen.
Der «Leaky Gut» ist ein zunehmendes Problem in unserer Gesellschaft. Die häufigsten Ursachen sind Stress, Medikamente (Antibiotika, gewisse Schmerzmittel, Magenschoner, etc.), Industriell aufbereitete Lebensmittel, Stress und Alkohol,.
So betrachtet wird klar, dass der Leaky Gut die Ursache für ganz verschiedene Funktionsstörungen sein kann. Die erhöhte Entzündung kann Schmerzen in unterschiedlichsten Regionen verursachen, kann den Stoffwechsel so beeinträchtigen, dass eine Insulinresistenz entsteht. Sie kann jedoch auch die Funktion der Mitochondrien beeinträchtigen, was die Energieproduktion und die kognitiven Fähigkeiten in Mitleidenschaft zieht und neurologische Erkrankungen zur Folge haben kann. Schliesslich kann auch die erhöhte Alarmbereitschaft des Immunsystems zu Allergien und Unverträglichkeiten führen.
Egal welche Folgekrankheit sich aus dem Leaky Gut entwickelt, es ist immer wichtig, zuerst den Darm zu behandeln, weil sonst nur die Symptome bekämpft werden, ohne sich um die eigentliche Ursache zu kümmern.
Lesen Sie dazu mehr im Teil 3 - Die 5R zur Behandlung des Darmes